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Der CO₂-Ausweis

Über die wirtschaftliche Aufwertung von Bestandsbauten

21.02.2024, Lesezeit: 3 Minuten
Dominik Hartmann arbeitet bei ATP sustain.

Dominik Hartmann

Energie- und Sustainability-Experte

ATP sustain

Für mehr Transparenz und Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft müssen wir vom Energie- zum CO₂-Ausweis. Durch diesen können wir Bestandsgebäude wirtschaftlich aufwerten und damit einen wichtigen Schritt in Richtung Klimaschutz in der Bau- und Immobilienbranche beitragen. 

Zahlen sprechen klare Worte: Über 37 % der CO₂-Emissionen und 60 % des Ressourcenverbrauchs weltweit gehen auf das Konto der Bauindustrie. Um dem Green Deal und der „Circular Economy“-Strategie der EU gerecht zu werden, sind der Erhalt von Bestand und die Implementierung von CO₂ als Wirtschaftsfaktor in der Immobilienbranche essenziell. Auf Initiative der ÖGNI in Kooperation mit ATP sustain wird in der Arbeitsgemeinschaft mit Madaster, EPEA, Sedlak, Schiefer Rechtsanwälte und der Technischen Universität Wien die Grundlage für einen CO₂-Ausweis geschaffen. Den ersten Vorstoß dazu startete die gif (Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V.) bereits in Deutschland. 

Im Sinne des Klimaschutzes ist eine ganzheitliche Betrachtung notwendig, um Bestands- und Neubauten in Bezug auf deren emittiertes sowie bereits kompensiertes CO₂ und den damit verbundenen Umweltauswirkungen gleichgestellt und vergleichend zu bewerten.

Warum es den CO₂-Ausweis braucht
Grundlegend für die effektive CO₂-Reduktion ist die Unterscheidung von roten und grauen Emissionen: Rote oder „dynamische“ Emissionen treten während der Gebäudenutzung auf und werden von der Energiebereitstellung und dem Verbrauch beeinflusst. Der stetig ansteigende Anteil an nachhaltiger bzw. CO₂-neutraler Energie verändert den Strommix zunehmend. So sollen bis 2030 80 % des Stromverbrauchs in Deutschland mit erneuerbarer Energie abgedeckt werden. Dem gegenüber stehen graue oder „statische“ Emissionen, die bei oder vor der Herstellung bzw. Sanierung eines Gebäudes bereits emittiert werden und diesem anhaften. Aktuell gibt der Energieausweis aber nur den berechneten Energiebedarf an. Er trifft also keine Aussagen darüber, wie es mit dem tatsächlichen Verbrauch und den damit verbundenen CO₂-Emissionen steht.

In anderen Worten: Wir müssen auch zwischen tatsächlichen „grauen“ Emissionen und prognostizierten „roten“ Emissionen unterscheiden. Denn aktuell sind Neu- und Bestandsbauten in Bezug auf emittiertes CO₂ und den damit einhergehenden Umweltauswirkungen gleichgestellt. Nach dieser Betrachtung wird Bestand indirekt schlechter abgebildet, als dessen Umweltauswirkungen wirklich sind, obwohl das emittierte CO₂ von Bestandsbauten zum Teil schon kompensiert ist. Mit dem CO₂-Ausweis und den damit in den Vordergrund rückenden grauen Emissionen soll sich diese Betrachtungsweise grundlegend ändern.

Prinzip des CO₂-Ausweises
Mit der Einführung des CO₂-Ausweises kann jedem Gebäude ein CO₂-Wert zugewiesen werden. Das geschieht durch die Erfassung der CO₂-Emissionen auf Basis generischer Werte für z. B. Konstruktionsart, Alter oder Geometrie eines Gebäudes. Auf diese Weise kann auch der CO₂-Footprint von Bestandsbauten nachträglich festgestellt werden. Die grundlegende Idee des CO₂-Ausweises ist, das CO₂, das dem Gebäude anhaftet, buchhalterisch als Wirtschaftsgut zu betrachten, um es über die gesamte Gebäudenutzungsdauer abschreiben zu können. Ein Beispiel dazu: Sollte ein Bestandsgebäude aufgrund eines geplanten Neubaus abgerissen werden, geht das dem Bestand noch anhaftende CO₂ auf den Neubau über und wird diesem buchhalterisch zulasten gelegt. Es muss – neben dem eigenen anhaftenden CO₂ – zusätzlich abgeschrieben werden. Auch bei der Änderung von Besitzverhältnissen wird das dem Gebäude anhaftende CO₂ mit übernommen.

Darstellung der roten Emissionen im Vergleich

Der CO₂-Ausweis ist ein Instrument dafür, um Transparenz, Nachhaltigkeit, Effizienz und Verantwortung in der Bau- und Immobilienbranche in die Richtung der Klimaziele 2050 zu lenken.

Bestand als Hebel für den Klimaschutz
Nach dieser Betrachtungsweise ist das Konto des Neubaus mit mehr CO₂ belastet als das des Bestandsbaus. Ein Gebäude von 1980 ist zum Beispiel bereits zu 88 % abgeschrieben, weil das anhaftende CO₂ bereits kompensiert bzw. „abgeschrieben“ wurde. Damit ist es wirtschaftlich automatisch attraktiver als ein Neubau. Denn bei diesem müssen 100 % der entstehenden plus der zusätzlichen, aus dem Abbruch übertragenen, Emissionen noch ausgeglichen werden. Mit dieser wirtschaftlichen Aufwertung von Bestandsgebäuden setzen wir einen wichtigen Schritt in Richtung Klimaschutz in der Bau- und Immobilienbranche. Durch die Vermeidung von Abbruch werden der Verbrauch von Ressourcen und damit Emissionen durch die Materialherstellung deutlich verringert, während die Lebensdauer von Gebäuden verlängert wird.

Darstellung der roten und grauen Emissionen im Vergleich

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