Pilotprojekt „VIG-Zinshaus“
ATP sustain begleitete erstes EU-taxonomiekonformes Altobjekt Österreichs
Das Zinshaus der Vienna Insurance Group (VIG) in der Singerstraße 8 im ersten Wiener Gemeindebezirk hat die Verifikation der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) erhalten und ist damit das erste EU-taxonomiekonforme Altobjekt in Österreich.
Im Rahmen der Kooperation von ATP sustain mit der ÖGNI und der VIG das Gebäude in der Wiener Innenstadt als Pilotprojekt ausgewählt, um exemplarisch eine Prüfung der EU-Taxonomie-Anforderungen für ein Bestandsgebäude durchzuführen.
Mehrwert der Untersuchung stellt in erster Linie der Wissenszuwachs sowie das Aufdecken potenzieller Problemstellen bei der Nachweisbeschaffung sowie dem Feststellen von möglichen Defiziten der Gebäudequalitäten dar.
Sebastian Krautzer
ÖGNI Consultant und EU-Taxonomy Advisor
ATP sustain in Wien
Welche Anforderungen müssen denn erfüllt werden?
Die EU-Taxonomieverordnung 2020/852 dient als Klassifizierungssystem für Kapitalströme, mit dem Ziel, Wirtschaftsaktivitäten gezielt in eine „grüne“ Richtung zu lenken. Hierbei sind für den Gebäudesektor Anforderungen in sechs Umweltzielen definiert: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, Schutz der Wasserressourcen, Kreislaufwirtschaft, Umweltverschmutzung, Biodiversität und Ökosysteme sowie ergänzende Mindestanforderungen wie die Einhaltung der OECD-Leitlinien und der UN Guiding Principles. Je nach Einhaltungsgrad der Kriterien, wird das Objekt als transformationsbedürftig oder taxonomiekonform eingestuft.
Bestandsgebäude, die nach der EU-Taxonomieverordnung offengelegt und berichtet werden, müssen neben den allgemein gültigen Mindestanforderungen auch die Kriterien der ersten beiden Umweltziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel erfüllen. Zudem muss in einem der beiden Umweltziele ein wesentlicher Beitrag geleistet und damit strengere Anforderungen eingehalten werden. In dem Pilotprojekt „Singerstraße 8“ fiel die Wahl des wesentlichen Beitrags auf das erste Umweltziel, den Klimaschutz – man spricht von „Annex I“.
I. Klimaschutz
Fokus des ersten Umweltziels ist die Grenzwert-Einhaltung des PEBn.ern. (Primärenergiebedarf nicht erneuerbar) gemäß der derzeit gültigen Klimaschutzgesetzgebung. Wird der Annex I verfolgt, muss der Grenzwert um mindestens 10 % unterschritten werden. Eine Anforderung, die insbesondere bei Bestandsgebäuden eine deutliche Herausforderung darstellt.
Das ausgewählte Pilotprojekt ist an das Fernwärmenetz der Stadt Wien angeschlossen. Dieses wird als hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) betrieben und weist damit nach der derzeitigen Klimaschutzgesetzgebung einen sehr niedrigen PEBn.ern.-Faktor auf. Daher konnte der Grenzwert der Liegenschaft deutlich unterschritten werden und damit nachweislich ein wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz-Umweltziel geleistet werden.
II. Anpassung an Klimawandel
Zum Erlangen einer Taxonomiekonformität war auch eine Analyse der am Standort vorherrschenden Klimarisiken notwendig. Bei einem erhöhten Risiko müssen ggf. Maßnahmen zum Schutz des Gebäudes sowie der sich darin befindlichen Nutzer:innen offengelegt werden. Neben der Untersuchung der heute aktuellen Risiken ist auch eine Untersuchung für zukünftige Risiken für die Jahre 2030 und 2050 nach den bekannten RCP (Representative Concentration) 2.6, 4.5 und 8.5 gefordert. Die RCP-Szenarien geben Auskunft über den Strahlungszuwachs in Abhängigkeit der Klimaschutzmaßnahmen.
Das Szenario RCP2.6 ist ein Szenario mit umfangreichen Maßnahmen und geringem Strahlungszuwachs, das Szenario RCP8.5 ist als „business as usual“ und ohne besondere Maßnahmen mit einem starken Strahlungszuwachs definiert.
Die relevanten Klimarisiken haben wir von ATP sustain in einem Klimarisikobericht analysiert und zusammengefasst. Wir erkannten für den Standort keine wesentlichen Risiken im geforderten Zeitintervall. Das Gebäude ist nach aktuellem Wissensstand keiner bekannten Gefahr ausgesetzt und kann als taxonomiekonform eingestuft werden.
Wie lief die Analyse ab?
Die Einhaltung der jeweiligen Kriterien wurden in einem Pre-Check untersucht. Darauf aufbauend erstellen wir ein Taxonomiegutachten zur Liegenschaft, in welchem die relevanten Nachweise in Beziehung gesetzt und die Einhaltung der Anforderungen offengelegt wurden. Als finaler Schritt reichten wir das gesamte Gutachten bei der ÖGNI für eine unabhängige und von einer externen, dritten Stelle durchgeführten Prüfung ein, um damit die höchstmögliche Belastbarkeit der Gebäudequalitäten nachzuweisen.
Das Gebäude erhielt als erstes Gründerzeitgebäude eine positive Verifizierung zur EU-Taxonomie durch die ÖGNI und zeigt damit, dass auch ältere Bestandsgebäude die strengen Taxonomieanforderungen einhalten können.
Sebastian Krautzer
ÖGNI Consultant und EU-Taxonomy Advisor
ATP sustain in Wien