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Architektur im Verborgenen

Zur Planung von Justizvollzugsanstalten und forensischen Psychiatrien

10.02.24, Lesezeit: 5 Minuten
Nürnberg
Andreas Rieser, Geschäftsführer von ATP architekten ingenieure in Nürnberg.

Andreas Rieser

Geschäftsführer

ATP Nürnberg

Wie vereint man höchste Sicherheitsanforderungen mit humanen Bedingungen? Justizvollzugsanstalten und forensische Psychiatrien erfordern eine Planung, die Schutz nach innen und außen, Funktionalität und Resozialisierung verbindet. Dies gelingt nur durch die präzise Abstimmung von baulichen, technischen und sozialen Anforderungen in einem ganzheitlich ausgerichteten Konzept.

Justizvollzugsanstalten (JVA) und forensische Psychiatrien sind zentrale Einrichtungen innerhalb von Bauten für die öffentliche Sicherheit. Beide dienen primär dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten, unterscheiden sich jedoch in ihrer Ausrichtung. JVA sind für die Unterbringung von Insass:innen zuständig. Forensische Psychiatrien konzentrieren sich auf die Betreuung von Patient:innen. Deren Straftaten sind häufig durch psychische Erkrankungen, Suchtproblematiken oder Entwicklungsdefizite bedingt.

Interdisziplinäre Expertise für höchste Planungsansprüche
Die Planung von Justizvollzugsanstalten und forensischen Psychiatrien erfordert eine ausgewogene Balance von Sicherheit, Resozialisierung und menschenwürdigen Bedingungen. Zu berücksichtigen sind strenge gesetzliche Vorgaben und die Ausbruchssicherheit. Suizidprävention und der Schutz vor Drogen und gefährlichen Instrumenten kommen hinzu. Architekt:innen, Bauingenieur:innen und Fachleute arbeiten deshalb eng zusammen, um sichere und funktionale Strukturen sowie moderne Überwachungs- und Sicherheitssysteme zu gewährleisten.

Andreas Rieser, Geschäftsführer von ATP architekten ingenieure in Nürnberg.

Die fachübergreifende Ausrichtung der Integralen Planung bietet für diese sehr vielschichtige Verantwortung die beste Grundlage. Eine fundierte Planung dieser Bauten trägt maßgeblich dazu bei, dass die öffentliche Sicherheit bewahrt und gleichzeitig die Chance auf eine positive Resozialisierung verbessert wird.

Andreas Rieser

Ingenieur, Geschäftsführer in Nürnberg

Zwischen zukunftssicherem Betrieb und maximalem Schutz
Eine klar strukturierte Raumaufteilung unterstützt die betrieblichen Abläufe. Robuste Bausubstanz, Kameraüberwachung und technische Sicherheitssysteme schützen vor Ausbrüchen und Gefahrensituationen. Dabei soll die architektonische Gestaltung die Menschenwürde wahren. Tageslicht, durchdachte Proportionen und angenehme Gemeinschaftsräume fördern Orientierung und psychisches Wohlbefinden. In forensischen Psychiatrien können Farben gezielt eingesetzt werden, um Heilungsprozesse zu unterstützen und Rückfälle zu minimieren.

Die Flexibilität in der Planung ist entscheidend, um die Einrichtungen an technologische Entwicklungen, gesellschaftliche Veränderungen und neue Sicherheitsanforderungen anzupassen. Besonders bei langfristigen Projekten der öffentlichen Hand ermöglichen modulare und anpassungsfähige Planungskonzepte eine zukunftssichere Nutzung. So können Räume und Infrastrukturen bei Bedarf geändert, erweitert oder umstrukturiert werden, ohne Sicherheit oder Funktionalität zu beeinträchtigen.

Die Integrale Planung mit BIM ermöglicht uns, die komplexen Anforderungen an Sicherheit, Flexibilität, Funktionalität sowie soziale Qualitäten ganzheitlich zu vereinen. Sie schafft langfristig zukunftssichere Lösungen.

Andreas Rieser

Ingenieur, Geschäftsführer in Nürnberg

Anforderungen an die Planung von JVAs und forensischen Psychiatrien:

  1. Sicherheit
    Die Vorkehrungen in diesen Einrichtungen betreffen sowohl bauliche als auch organisatorische Maßnahmen. Die Gesamtanlage wird so konzipiert, dass Fluchten und das Einschleusen unerlaubter Gegenstände wie Waffen oder Drogen wirksam verhindert werden. Eine klare Trennung der Zugänge für Mitarbeitende, Besuchende und Insass:innen/Patient:innen sorgt für eine reibungslose Organisation ohne Überschneidungen.

    Die Zugänglichkeit für IInsass:innen/Patient:innen ist sicherheitsorientiert und rehabilitationsfördernd gestaltet. Gestaffelte Zugänge ermöglichen den kontrollierten Zugang zu Zellen, Therapieräumen und Freizeiteinrichtungen, während sensible Bereiche streng geschützt bleiben. Sicherheitsmaßnahmen wie Schleusen und Überwachungssysteme gewährleisten dabei Kontrolle und Bewegungsfreiheit.

    Zellen werden so geplant, dass sie sowohl sicher als auch menschenwürdig sind. Eine moderne Überwachungsinfrastruktur, bestehend aus Videoüberwachung, Alarmanlagen und rund um die Uhr besetzten Sicherheitszentralen, garantiert die Kontrolle der gesamten Anlage. Zudem wird das jeweilige Gebäude auf Notfallszenarien wie Ausbrüche, Unruhen oder Brände vorbereitet. Das geschieht mit Notausgängen, Alarmanlagen und speziell eingerichteten Krisenbereichen.

  2. Resozialisierung und Haftbedingungen
    Die Förderung der Resozialisierung ist ein zentraler Aspekt der Planung. Bildungs- und Arbeitsprogramme sowie Psychotherapien werden durch gezielt gestaltete Werkstätten und Therapieräume unterstützt. Freizeit- und Sporteinrichtungen, ergänzt durch sichere Freigangflächen, fördern die psychische und physische Gesundheit der Insass:innen/Patient:innen. Besuchsräume verbinden Sicherheitsanforderungen mit einer respektvollen Atmosphäre durch getrennte Zonen für Kontakt- und Nicht-Kontakt-Besuche sowie geschützte Gesprächsräume.

  3. Wohl der Gebäudenutzer:innen
    Die Planung berücksichtigt gleichermaßen die Bedürfnisse aller Nutzer:innen. Funktionale und getrennte Bereiche wie Büros, Pausenräume und Umkleiden bieten Sicherheit und Komfort für Mitarbeitende. Moderne IT- und Kommunikationssysteme in Überwachungsräumen sorgen für eine effiziente Kontrolle und Koordination. Für Insass:innen und Patient:innenstehen gesundheitsfördernde Lebensbedingungen im Mittelpunkt. Ausreichend natürliches Licht, gute Belüftung und großzügig bemessene Aufenthaltsbereiche fördern sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit. Zudem muss eine kontinuierliche medizinische Versorgung, einschließlich der Behandlung psychischer Gesundheitsprobleme, durch entsprechende Behandlungsräume gewährleistet sein.

  4. Bauphysikalische, technische und städtebauliche Anforderungen
    Moderne Justizvollzugsanstalten und forensische Psychiatrien erfordern robuste, langlebige Materialien, die sowohl Abnutzung als auch möglichen Angriffen standhalten. Gleichzeitig müssen sie den geltenden Brandschutz-, Schallschutz- und Hygienestandards entsprechen. Energieeffizienz und Nachhaltigkeit spielen eine zentrale Rolle bei der Planung, um den Ressourcenverbrauch zu minimieren. Auch die städtebauliche Integration ist essenziell. Die Einrichtung sollte sich harmonisch in das Umfeld einfügen, ohne Isolation oder Stigmatisierung zu fördern. Besonders bei forensischen Psychiatrien gilt es, einen Festungscharakter zu vermeiden, um eine akzeptierte Einbindung in den urbanen Kontext zu ermöglichen.

Zukunftsaussichten
Die Digitalisierung wird die Anforderungen an Justizvollzugsanstalten und forensische Psychiatrien nachhaltig verändern. Potenzielle Entwicklungen wie Internetanschlüsse in Zellen oder Zimmern könnten Bildungs- und Resozialisierungsprogramme unterstützen, stellen jedoch auch neue Herausforderungen für Datenschutz und Cybersecurity dar. Darüber hinaus werden Technologien zum Schutz vor Drohnenangriffen wichtiger, da diese zunehmend für Ausbruchshilfen oder das Einschleusen unerlaubter Gegenstände genutzt werden könnten. Zukunftsfähige Planung erfordert eine kontinuierliche Weiterentwicklung, die Sicherheit, Effizienz und Rehabilitation gleichermaßen berücksichtigt und Insass:innen bzw. Patient:innen eine bessere Chance auf Resozialisierung bietet.

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